Interview

Marion Rothhaar

"Als Kind checkt man gar nicht wie viel Macht und Druck auf einen ausgeübt wird"

 
Marion Rothhaar
Marion Rothhaar © Mike Zenari

21.09.2022 - 31.07.2023

 

Marion, Sie waren 1988 Olympiateilnehmerin in der Rhythmischen Sportgymnastik für die BRD und sind somit bestens mit der Welt der jungen Turnerinnen vertraut. Was bedeutet es für Sie persönlich Ihre eigenen Erlebnisse auf die Bühne zu bringen?

Das Thema, das beinahe meine ganze „Kindheit“ beherrschte, sitzt irgendwo in meinem Körper und ich habe es lange Zeit abgespalten und mich nach meiner sportlichen Laufbahn mehr mit meinem Kopf beschäftigt. Nun kommen diese beiden Hälften zusammen und ich bin gespannt auf die Arbeit. Ich stehe ja selbst selten auf einer Bühne und bin keine Schauspielerin. Da ich aber keine fremden Texte auswendig lernen muss, sondern „einfach“ von mir und meinen Erfahrungen erzähle und eine professionelle Performerin die anderen, literarischen Parts übernimmt, bin ich zuversichtlich, dass ich das hinkriege. Außerdem bin ich neugierig auf die Arbeit mit einer Regie-Kollegin Elke Hartmann, die ich schätze.

Körper am Ende der Welt ist dem Dokumentartheater zuzuordnen und handelt unter anderem von kindlichen und weiblichen Körpern im Kontext von Sport und Leistung. Im Oktober 2020 wurden in der Schweiz die sogenannten „Magglingen-Protokolle“ veröffentlicht, benannt nach der Trainingsstätte junger Sportlerinnen. Der Bericht deckt Missbräuche aller Art auf. Treiben Erkenntnisse wie diese Sie an um ein Stück wie Körper am Ende der Welt auf die Bühne zu bringen?

Absolut. Denn wie gesagt, ich hatte den sportlichen Teil meines Lebens fast vergessen und auch, was da alles passiert ist. Als Kind checkt man gar nicht wie viel Macht und Druck auf einen ausgeübt wird. Die Protokolle haben mich, wie man so schön sagt in Mark und Bein erschüttert. Und ich dachte, da hab ich ein Wörtchen oder zwei mitzureden. Vor allem aus heutiger Sicht mit fast 50. Das Thema Leistung ist ja leicht übertragbar auf andere Zusammenhänge, in denen junge (weisungsgebundene) Menschen stecken: z.B. in der Schule oder im Elternhaus, auch die Position der Schauspieler.innen am Theater ist vergleichbar: Austauschbarkeit, Alterungsprozess, Körperwahn und Erfolgsdruck, um nur einige Berührungspunkte zu nennen.

Sie arbeiten häufig mit dem Künstlerkollektiv Maskénada zusammen. Die sogenannte Freie Szene hat sich auch in Luxemburg in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Welche Vor- oder auch Nachteile sehen Sie in der Freien Szene?

Die freie Szene kann schneller reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen und muss nicht zwingend einen „Kanon“ erfüllen – aber die Subventionen sind geringer und man muss Einnahmen generieren. Man kann in der freien Szene je nach Projekt passende Banden bilden. An städtischen Theatern sind die Strukturen nicht so durchlässig und man muss doch recht lange im Voraus planen, wenn man in einem Spielzeitheft auftauchen will. Maskénada können widrige Umstände und Geldmangel nicht mehr schocken, da sind bald 30 Jahre Erfahrung im Spiel. Man muss halt erfinderisch sein.

Interview: Pit Ewen, Mierscher Kulturhaus.

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