Eigentlich führen Vater Klaus, Mutter Marie, Tochter Charlotte und Großmutter Anna-Maria ein solides bürgerliches Leben. Nachdem aber Theo, ein alter Familienfreund und hochrangiger Funktionär der konservativen Regierungspartei, eines Tages zu Besuch kommt, werden im Familienheim aus kleinen Rissen tiefe Gräben. Theo will Klaus als neues Gesicht seiner rechten Agenda gewinnen. Klaus lässt sich auf einen mephistophelischen Pakt ein und verfällt Theos nationalistischen Plänen. In der Familie regt sich Widerstand: Marie besinnt sich ihrer emanzipatorischen Ideale und Tochter Charlotte stellt sich als Teil einer liberalen, aktivistischen Jugendbewegung mit aller Macht gegen ihren Vater.
Auftragswerk für das Mierscher Kulturhaus anlässlich des 150. Geburtstags des luxemburgischen Schriftstellers und Politikers Nikolaus Welter.
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Dies ist eine Covid-Check Veranstaltung.
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Einführung und Regiekonzept Im Umbruch
Die Stimme von Nikolaus Welter in die Gegenwart holen – das geht eigentlich nur mit einem neuen Theatertext. Olivier Garofalos Im Umbruch, ein sogenanntes „neues bürgerliches Trauerspiel“, nimmt sich des Geistes und der Stimme von Nikolaus Welter an. Es ist somit ein Stück, welches sich mit den Begriffen und Themen aus Welters Texten auseinandersetzt und einige seiner Werke als Referenztexte verarbeitet. Neben der autobiographischen Chronik Im Dienst. Erinnerungen aus verworrener Zeit wäre vor allem Die Braut zu nennen, ein Theaterstück, dessen Inhalt und Figuren in Im Umbruch eine so große Rolle spielen, dass aus dem Primärtext zitiert wird und Garofalo durch das Prinzip der Intertextualität konkret Bezug auf den verstorbenen Dichter nimmt.
Die Tragödie spielt in den Kreisen einer bürgerlichen Kleinfamilie in Luxemburg. Vater Klaus Weyer ist Lehrer, Mutter Marie war zwar berufstätig, blieb aber irgendwann zuhause, um sich um Tochter Charlotte zu kümmern, die zur Zeit der Handlung ihren 23. Geburtstag feiert. Maries Mutter Anna-Maria kommt regelmäßig zu Besuch. Als dann Theo, ein alter Bekannter, der mittlerweile die Karriereleiter bei der konservativen Regierungspartei hinaufgestiegen ist, ganz unterwartet an der Tür der Familie Weyer erscheint, überschlagen sich die Ereignisse. Theo hat einen Plan: Er soll Unterrichtsminister werden und möchte den fleißigen Lehrer und alten Freund Klaus als Berater – und in seiner Partei. Klaus gibt Theos Drängen und politischen Spielchen nach. Marie hingegen lehnt diese Entwicklung strikt ab. Sie kennt Theo bereits länger als Klaus, der jedoch nichts davon weiß und taub bleibt gegenüber jeglichen Einwänden oder Hilferufen seiner Frau. Der Wechsel in die Politik bedeutet nicht nur eine neue Stelle für den Familienvater, sondern auch ein Entfremden zwischen Klaus und Marie und Tochter Charlotte, die sich gerade intensiv mit Nikolaus Welters Theaterstück Die Braut auseinandersetzt – ein Stück, das auch Marie in seinen Bann zieht.
Mit dieser Familientragödie zeigt Olivier Garofalo einen möglichen Blick auf die heutige Zeit. Die Machtzunahme von rechtspopulistischen Parteien und deren Machtspiele, die Frage nach einer nachhaltigen Pädagogik, das Frauenbild in der Gesellschaft sowie die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten einer Frau im Kreise der eigenen Familie – Garofalo verhandelt Positionen aus Welters Werk neu und reflektiert durch die Figuren von Klaus, Marie, Theo und Charlotte unsere Gegenwart, die genau wie die Zeit von Nikolaus Welter radikale Umbrüche kannte und sich stets „im Umbruch“ befand.
Text: Sarah Rock