Interview

Olivier Garofalo

Der Begriff Heimat spielt in "Im Umbruch" eine Rolle
Interview: Sarah Rock, Dramaturgin

 

01.07.2020 - 01.10.2021

 
Herr Garofalo, in Ihrem neuen Stück Im Umbruch, ein Auftrag des Mierscher Kulturhauses, arbeiten Sie mit Texten des luxemburgischen Autors Nikolaus Welter. Wie geht man mit einem Auftrag um? Haben Sie Nikolaus Welter gekannt?
Als Claude Mangen zum ersten Mal mit mir über Nikolaus Welter sprach, wusste ich ehrlich gesagt recht wenig über ihn. Zuerst las ich alle mir verfügbaren Texte von Welter, wenn auch viele leider vergriffen sind. Allgemein gibt es bei Welter ein paar Hauptanliegen, die immer wieder auftauchen: der Heimatbegriff und die politische Ordnung in einer durch nationalistische Strömungen geprägten Zeit, die Frage um die Monarchie, das gesellschaftliche Bild der Frau, die Aufgabe einer gelungenen Pädagogik und der Weg zu einer aufgeklärten Gesellschaft. Vieles davon ist ungebrochen aktuell, was die Bedeutung von Welters Literatur untermauert.
 
Sie verwenden ja mehrere Texte von Nikolaus Welter als Vorlage. Wie haben Sie seine Literatur in Ihrem Stück verarbeitet?
Ich wollte keine Figur „Nikolaus Welter“ schreiben, zudem ich dann doch zu wenig über seine Persönlichkeit in Erfahrung bringen konnte. Andererseits stellen sein Leben und Werk die Grundlage dar. So habe ich zwei Wege verfolgt: Einerseits wird insbesondere Welters Die Braut direkt zitiert, da dieses Buch für die Figuren in Im Umbruch von Bedeutung ist. Andererseits sind die erwähnten Themen sowie die in seinem biografischen Text Im Dienst beschriebenen Ereignisse die Inspiration für den Handlungsverlauf von Im Umbruch. Die verschiedenen Verknüpfungen, gepaart mit meiner persönlichen Haltung zu unserer Zeit sowie meiner künstlerischen Suche als Dramatiker, waren dann die Herausforderung.
 
Bei Nikolaus Welter ist der Begriff Heimat ja immer wieder ein Thema. Auch in Im Umbruch spielt er eine Rolle …
Der Heimatbegriff ist stets im Wandel. Wenn Welter in Im Dienst von einer Art Fonds zur Stärkung des nationalen Gedankens schreibt, ist das im Zeitkontext nachvollziehbar. Wenn ich hingegen an gegenwärtige Nation-Branding-Prozesse denke, frage ich mich, ob dieser Weg zu einer offenen Gesellschaft führt. Heimat ist für mich kein Ort, schon gar keiner, der sich durch Grenzen definieren lässt. Heimat ist ein Gefühl, besteht aus Erinnerungen. Heimat ist, was ich kulturell, sozial und politisch lebe.
 
In Mersch wird nicht nur Ihr Stück Im Umbruch uraufgeführt, sondern Sie schreiben passend zum Beethovenjahr auch an einem Text über den deutschen Komponisten?
Bei Beethoven indes stehen seine Kompositionen im Vordergrund. Meine Texte verstehe ich dabei als komplementär. Ich habe versucht, eine Mischung aus Originaldokumenten, biografischen Eckdaten und einer literarischen Reaktion meinerseits zu erstellen. Da bin ich selbst gespannt, wie sich die Texte mit der Musik verstehen werden. Der Versuch besteht auf jeden Fall darin, Beethovens Geist in unserer Zeit zu verorten und lebendig werden zu lassen.


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