Interview

Ed Maroldt

Künstler / Schriftsteller der Saison 19/20 im MKH
Den Scheinmächtigen in die Unterwäsche schauen

 
EdMaroldt_08.10x15
© Veronique Kolber

01.07.2019 - 01.07.2020

 

„Piccolo Paradiso“: Allein der Titel mutet bereits in gleich mehrfacher Hinsicht mehrdeutig, doppelbödig und ziemlich schwarzhumorig an ...

Eigentlich suchen sechs Personen und ein vor eine Pferdetram gespannter lusitanischer Wallach nach der Antwort auf die nationale Frage: Wachsen oder bremsen? Und mit dem Big Event der Ersten Tramfestspiele gibt es für den scheinbar unaufhaltsamen Weg zum „One Million-Einwohnerstaat“ nun eine Deadline. Aber es gibt auch mit Rock „vangogh“ einen Helden, der für den Wald gegen Beton kämpft.

Warum musste es ausgerechnet die Tram treffen?

Von Jungbauern und Waldaktivisten gekidnappte Trambahnen auf der Adolph-Brücke, der Circus Maximus in Gasperich, der Wasserturm gleich nebenan: Sie sind Ikonen des Wirtschafts-Wachstums. Sie werden zu dramaturgischen Verortungen eines Erbfolgestreits im Familienclan Lecoq, der bei uns ins Nationale wächst. Das Finale findet auf der Galerie des Wasserturms statt. Die Netzstruktur des Watergates suggeriert – so Architekt Jim Clemes – einen durchsichtigen Frauenstrumpf. Dieses Netzwerk lockt, Scheinmächtigen in die Unterwäsche zu schauen, ihren Narzissmus auszugraben. Befreiendes Lachen bringt Steine ins Rollen!

Wie würden Sie Ihr Stück einordnen? Als satirische Dystopie?

Kunst hat eine andere Zeitvorstellung als das politische Tagesgeschäft. Während die Medien die Illusion nähren, Deals, Business seien ein schnelles Ding, verankern wir das Narrativ des Paradiso auf einer geschichtlichen Zeitschiene. Waldgänger Roco ruft zum zivilen Ungehorsam auf gegen die Gewalt der Wirtschaftsmacht. Er transferiert das Finale seines Tramputsches auf das Glacisfeld, genau dorthin, wo bei Gleisarbeiten Knochenreste der verscharrten Öslinger Klöppelkrieger aufgefunden wurden. Sie waren von den revolutionären Gilets Rouges anno 1799 guillotiniert und füsiliert worden. Roco assoziiert seine Verantwortung mit dem Schicksal der historischen Waldkrieger und kleidet sich selbst in Theaterkostüme.

Warum schreiben Sie wieder fürs Theater?

Seit ich den Anstoß gab, den ausgedienten Escher Schlachthof in ein Kulturforum zu verwandeln, seit ich den Uelzechtkanal TV als regionalen Akteur einer Öffentlichkeitsarbeit etabliert habe, ist mein Anliegen die medial vermittelte Kommunikation. Theater verstanden als öffentliches Forum, als Rahmen für politisch geführten Diskurs. So dreht sich auch der Stoff des Paradiso nicht um den Immobilienhandel, sondern um die Public Relations-Maschinerie, um die Big Events, mit denen Sport, Medien, Bauhandel, Politik eine toxische dunkle Allianz schmieden. Die Mittel der Kunst helfen aufzudecken, wie die neoliberale Wachstums-Idolatrie funktioniert. Besser als lange theoretische Diskurse lässt Theater dieses Bewusstsein in lebensechten, ambivalenten Körpern au eben.

Das Interview führte Susanne Jaspers.

53, rue G.-D. Charlotte
L-7520 Mersch
Tél.: 26 32 43-1
info@kulturhaus.lu